Yi Ok-seon

Yi Ok-seon (1927 – )
geboren in Busan, in der Provinz Gyeongsang im Süd-Osten Koreas

Yi Ok-seon
© Tsukasa Yajima

Yi Ok-seon wurde in eine arme Familie geboren und obwohl sie lernen wollte, konnte sie keine Schule besuchen. 1940 bot ihr jemand „eine Möglichkeit, um Geld für die Schulbildung zu verdienen“ und so begann sie, in einem Hotel in Ulsan zu arbeiten. 1942 kamen ein Koreaner und ein Japaner und nahmen sie gewaltsam mit nach Yanji, das heute in der Jilin Provinz im Nord-Osten Chinas liegt. 

Danach wurde sie drei Jahre zur Sexarbeit versklavt. Durch wiederholte Injektionen des Antisyphilismedikaments Arsphenamin 606 und Quecksilberdampf-Behandlungen wurde sie unfruchtbar. Während sie in einer „Troststation“ in der Nähe des Ost-Yanji Flughafens war, verliebte sie sich in einen koreanischen Zwangsrekruten des japanischen Militärs. Nach Ende des Krieges wanderte Yi Ok-seon zu Fuß, um ihn zu suchen, und fand schließlich ihr Zuhause in Badaozhen, ebenfalls in der Jilin Provinz. Sie heirateten, doch als der Krieg in China ausbrach, wurde er vom Militär verpflichtet und ihr wieder entrissen. Jahrelang lebte Yi Ok-seon als frisch Verheiratete ohne Ehemann im Haus ihrer Schwiegerfamilie, wie es damals Tradition war. Nachdem er zehn Jahre lang verschwunden blieb, heiratete sie schließlich erneut. Bis 2000, als sie endlich nach Korea zurückkehrte, lebte sie mit ihrem Stiefsohn aus einer früheren Ehe ihres Mannes in Yanji.

Yi Ok-seon bedauert sehr, dass sie als Kind nicht zur Schule gehen konnte, und liest deshalb mit großer Begeisterung alles, was sie in die Finger bekommen kann – Bücher, Briefe, Flyer, Verkündungen der Mittwochsdemonstrationen vor der japanischen Botschaft in Seoul. Zudem ist sie eine eifrige und hitzige Menschenrechtsaktivistin. Ihr Lied „Leben in einem fremden Land“ ist eines ihrer Vorzeigelieder, das sie oft singt. Sie sang es an einem Herbsttag, während wir Eicheln knackten; das Geräusch der brechenden Schalen vermischte sich mit ihrer Singvogel-Stimme.

Tahyang Sali – Das Leben in der Fremde (1934)

Komposition: Son Mok-in
Text: Kim Neung-in
Gesang: Go Bok-su

© Joshua D. Pilzer 

In der Fremde wie lang bin ich schon hier?
Es sind mehr als 10 Jahre an den bloßen Fingern nicht mehr abzuzählen. 
Meine Jugend dahin.
Die Weide vor dem Dorfeingang wird auch diesen Frühling wieder grünen.
Ich pfiff auf losen Weidenblättern, das war einmal.

Joshua: „Was meinen Sie mit „Fremde“?“
Yi Okseon: „ Du hast dein Heim, 
deine Heimat verlassen und bist nun hier. 
Das ist Tahyangsali. 
Du bist hier in der Fremde, oder nicht?!
Weil es nicht deine Heimat ist. 
Ich bin in die Fremde gekommen, 
bin schon so lange hier. 
Und in den mehr als zehn Jahren, die ich hier lebe, 
ist nur meine Jugend vergangen.
Und plötzlich ist man ein alter Tattergreis. 
Das bedeutet es. Tahyangsali.“